
MUTIG WEITER GEHEN
Die Taufe - ein weiterer wichtiger Schritt im Leben von Anett Lange
Im Haus Weitblick erwartet mich Anett Lange (46) bei einem duftenden Gewürztee. Der freundlichen Bewohnerin der Sozialtherapeutischen Wohnstätte in Flöha spüre ich die Vorfreude ab. Ich fühle mich willkommen und dieser Eindruck von Freude und Zugewandtheit wird unser Gespräch anhalten und mich nachhaltig durch den Tag begleiten.
Ich habe mich heute mit Frau Lange verabredet, weil mich ihre Entscheidung für eine Erwachsenen-Taufe neugierig gemacht hat.
Doch bevor wir gleich ins Gespräch abtauchen, genieße ich erst einmal den wunderschönen Blick aus ihrem Einzelzimmer über ganz Flöha bis zum Schloss Augustusburg. Wir kommen sofort ins Schwärmen über diese einzigartige Aussicht, die Schöpfung und das gute Leben. Und schon sind wir mitten in einem anregenden Gespräch.
KS: Frau Lange, seit wann wohnen Sie im Haus Weitblick Flöha und wie lebt es sich hier mit diesem schönen Ausblick?
AL: Ich lebe seit April 2021 im Haus Weitblick und bin sehr froh, dass ich hier sein kann. Nicht nur die ruhige, idyllische Lage tun mir gut. Ich bin hier mit meiner psychischen Erkrankung gut aufgehoben und werde in allen Lebenslagen unterstützt. Vor allem tut es mir gut, dass ich hier so sein darf, wie ich bin – mit all meinen Herausforderungen. Ich erhalte von den Mitarbeitenden viel Ermutigung und bin froh, dass ich immer wieder auf ihre Hilfe zurückgreifen kann. Sie helfen und muten mir auch etwas zu, damit ich mich entwickeln kann. Mein besonderer Dank gilt Herrn Jankowski, der mir engagiert hilft, im Alltag zurecht zu kommen und Herrn Keller, der mich auf meinem Glaubensweg unterstützt und mir geholfen hat, dass mein Wunsch nach einer Taufe umgesetzt werden konnte.
KS: Genau deshalb bin ich heute hier, Frau Lange. Mich interessiert, wie es zu Ihrem Entschluss kam, sich taufen zu lassen. Eine Erwachsenen-Taufe ist ja nichts, was all zu oft passiert. Sie sind am 22.10.23 in der Georgenkirche in Flöha getauft worden. Wie kam es dazu? Wie sind Sie denn überhaupt mit dem christlichen Glauben in Berührung gekommen?
AL: Ich bin nicht in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen. Im Gegenteil, mein Vater hat sich ganz klar gegen den Glauben positioniert. Und doch war Gott für mich nicht nur ein Wort und meine Neugier nach dem, was dieses Leben ausmacht und lenkt, war schon immer da. Ich habe nie an Zufälle geglaubt. Da ich ein nachdenklicher Mensch bin und alles ergründen will, kann ich es nur so beschreiben, dass ich Gott im Nachdenken gefunden habe. Irgendwie habe ich ihn schon immer gesucht. Im Alter von 6 bis 16 Jahren habe ich ein Internat besucht und Heimweh und Einsamkeit kennengelernt. Es war auch die Suche nach Trost und Angenommensein, die mich von klein auf begleitet hat. Das Leben mit einer Behinderung ist voller Hindernisse, die mir Angst bereitet haben. Angst wurde zu einem großen Thema in meinem Leben, dem ich mich immer wieder aufs Neue stelle.
In den Gesprächen hier im Haus Weitblick habe ich viel über mich und meine Angst erfahren und dass es jemanden gibt, der mich annimmt und liebt, wie ich bin. Ich spürte Gottes Wirken in meinem Leben immer besser. Bei meinen Spaziergängen dankte ich ihm – auch für die Schönheit der Natur um mich herum und dass er es gut mit mir meint. In den Gesprächen mit Herrn Keller lernte ich aber auch, dass ich bei ihm ebenso meinen Frust loswerden kann – und glauben Sie mir, davon hatte ich viel. Herr Keller hat mir eine Bibel geschenkt und wir haben zusammen über all das gesprochen, was mir durch den Kopf ging. Er konnte mir viele Fragen beantworten und manches, was noch nicht zu erklären ist, einfach mit mir aushalten.
Und dann habe ich ihm gesagt, dass ich mich taufen lassen will. Daraufhin hat er alles in die Wege geleitet, wir haben ganz gezielt auch dazu gesprochen und er hat sich auch später noch einmal vergewissert, dass ich die Taufe wirklich will und es keine Laune ist.
Dann hat auch Diakoniepfarrer Martin Gröschel mit mir gesprochen und wir haben den Gottesdienst vorbereitet. Wichtig war mir, dass meine Mutter und meine Freunde dabei sein würden und dass mein Lieblingslied „Fürchte dich nicht“ von Samuel Harfst gespielt werden würde. Das passt so gut zu mir. Und dann hat sich Herr Keller auch bereit erklärt, mein Pate zu werden. Das freut mich auch.
KS: Ich habe gehört, dass es ein schöner Tauf-Gottesdienst gewesen ist, dass es auch Blockflötenmusik gab und ihre Wünsche umgesetzt werden konnten.
AL: Ja, das war es. Wissen Sie, für mich war diese Taufe ein wenig wie heiraten.
KS: Wie meinen Sie das?
AL: Plötzlich ist man nicht mehr allein. Ich konnte nach außen, den Menschen zeigen, was in mir passiert ist und dass ich Gottes Einladung zu ihm zu gehören angenommen habe. Und auch die Kirchgemeinde hat mich eingeladen. Ich besuche nun gern den Frauenkreis der Kirchgemeinde Flöha.
…strahlt mich Frau Lange an und ich kann ihr die Freude ansehen. Wir lesen noch zusammen ihren Taufspruch in der Bibel:
Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.
Johannes 16,33 EÜ
Wie passend, denke ich mir, den gefundenen Frieden und neu gewonnenen Mut habe ich heute in Anett Lange spüren können.
Herzlichen Dank!
Kathy Sander
Haus Weitblick Flöha, 20.11.23